Investing.com - Die Weltbörsen sind in Aufruhr. Der Grund: die Inversion der US-Zinskurve. Sie gilt als zuverlässiger Frühindikator für eine heraufziehende Rezession in den USA, sagen einige Volkswirte.
Am Mittwoch rutschte die Rendite für zehnjährige US-Staatsanleihen zum ersten Mal seit Dezember 2005 unter die Zweijahresrendite. Schwache Konjunkturdaten aus China und Deutschland waren der Katalysator für die Bewegung. Aber auch der anhaltende US-Handelskrieg mit China trug zum Umkippen der Kurve bei. Anleger flüchteten daher aus Konjunkturängsten in sichere Häfen wie Gold, Yen oder eben Staatsanleihen (NYSE:GOVT).
Vor allem langfristige Titel sind dabei gefragt. Das drückt die Renditen der Langläufer, während Anleger um die Anleihen mit kürzeren Laufzeiten einen großer Bogen machen.
Und so kam es, wie es eben kommen musste: die zweijährige Rendite rentierte höher als die zehnjährige Anleiherendite. Problematisch ist das vor allem mit Blick auf das traditionelle Bankgeschäft. In der Regel leihen sich Banken von ihren Kunden Geld, das sie langfristig zu höheren Zinssätzen verleihen (Fristentransformation). So machen Banken einen Teil ihrer Gewinne. Das funktioniert aber nur, wenn die kurzfristigen Zinsen niedriger sind wie die langfristigen Zinsen. So droht nun die Kreditvergabe ins Stocken zu geraten, was weniger Investitionen durch die Unternehmen bedeutet und damit zukünftig auch sinkende Gewinne nach sich ziehen könnte.
Eine nicht ganz so pessimistische Sicht wie andere vertritt Mark Haefele, Global CIO im UBS (SIX:UBSG) Wealth Management. Für ihn ist der Handelskonflikt zwischen den USA und China die größte Bedrohung für die Wirtschaft. Eine Inversion der Zinskurve habe dagegen nur begrenzte Aussagekraft.
"Es kommt auf das Signal an", so Haefele, und das, was es "über die Gesundheit der Wirtschaft" aussagt. Das sei per se aber nicht so negativ, wie einige Investoren befürchten, erklärte er.
"Zum einen gibt es eine erhebliche zeitliche Verzögerung (von durchschnittlich 22 Monaten) zwischen der anfänglichen Inversion und dem Beginn einer Rezession", erklärte Haefele. "Beim Eintreten der letzten 5 Rezessionen lag zwischen Signal und Rezession eine zeitliche Verzögerung von 10 bis 36 Monaten."
Darüber hinaus verwies er auf die Staatsanleihen im Volumen von knapp 16 Billionen Dollar, die mit einer negativen Rendite rentieren und somit die US-Zinspapiere zusätzlich belasten, "was das Signal für die US-Wirtschaft verfälscht."
Neben diesen Faktoren spielen aber auch die Dauer der Inversion und die Tatsache, um wie viel Basispunkte die Zinskurve invertiert ist, eine wichtige Rolle. "Wenn Zinssenkungen durch die Fed die Kurve erfolgreich in den positiven Bereich versteilen, kann diese kurze Inversion ein verfrühtes Signal für eine Rezession darstellen."
Gestern waren Dow, S&P und Nasdaq deutlich unter die Räder gekommen, als sich die Zinskurve invertiert hatte. Das muss aber nicht bedeuten, dass sich die Talfahrt an den Börsen nun ungebremst fortsetzt. Seit 1975 ist der S&P 500 nach der Inversion dieser Zinskurve im Schnitt knapp zwei Jahre lang weiter gestiegen - und zwar um 40 Prozent, schrieb Haefele in einem Artikel.
"Wir sind weiterhin zuversichtlich, dass die USA eine Rezession im nächsten Jahr vermeiden werden. Wir gehen jedoch davon aus, dass das Wachstum gedämpft bleiben wird, und es ist wahrscheinlich, dass die Zinsen länger niedrig bleiben werden, da die Zentralbanken versuchen, das Wachstum zu unterstützen", erklärte Haefele.
Am Ende ist eine Inversion der Zinskurve eben nicht perfekt und bedeutet nicht automatisch, dass eine Rezession unmittelbar bevorsteht. Jedoch steigt das Volumen der Staatsanleihen mit negativen Renditen kontinuierlich an - und das ist es, was die Investoren aktuell umtreibt. Für Sie als Aktienanleger ist daher Grund zur Vorsicht geboten, aber noch keine Panik.
von Robert Zach