von Wolfgang Müller
Den Anlegern wird es schon aufgefallen sein: Der deutsche Leitindex DAX hält sich erstaunlich gut gegenüber seinem großen Bruder aus den USA, er ist sogar aus seiner sechswöchigen Seitwärts-Range nach oben ausgebrochen, auf neue Allzeithochs. Aber nicht nur der deutsche Index zeigt sich stark, dieses Phänomen ist derzeit sehr häufig in Europa anzufinden. Worin könnte dies begründet sein?
Dax & Co: Eine längere Phase der Underperformance
Betrachtet man sich die Entwicklung des Euro Stoxx 50 sowie einiger großer europäischer Aktienmärkte, so fällt auf, dass diese seit dem Jahresbeginn vor dem großen Leitindex S&P 500 stehen. Aber hat man in den USA im ersten Quartal nicht ein Plus im Wachstum von 6,4 Prozent gemeldet, während es in Deutschland noch einmal einen Rückfall in die Rezession (-1,7 %) gegeben hat, ebenso in der Eurozone (-0,6%)?
Seit Jahresbeginn:
- Frankreich + 17,08 Prozent
- EuroStoxx 50 + 14,73 Prozent
- Italien + 15,65 Prozent
- Spanien + 13,02 Prozent
- Deutschland + 14,20 Prozent
- Österreich + 27,36 Prozent
S&P 500 + 14,2 Prozent
Sucht man nach Gründen für diese kleine Outperformance des Dax und anderer europäischer Indizes, so stößt man rasch auf eine jahrelange Underperformance in Europa, dem Kontinent der unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Auf einen schwachen Bankensektor – der meilenweit hinter JP Morgan und Co hinterherhängt – aber auch dies hat sich in jüngster Zeit geändert. Besonders ablesbar am Kurs der Deutschen Bank (DE:DBKGn). Dieser ist seit Jahresanfang um über 40 Prozent gestiegen – obwohl die Bank eigentlich, infolge der einbrechenden Zinseinnahmen (Fristentransformation), hätte mit dem Überleben kämpfen müssen.
Beim Dax kommt noch hinzu, dass er als Exportindex so etwas wie ein Proxy auf die Weltwirtschaft darstellt und damit von den Wachstumsschüben in China und USA besonders profitiert. Bestückt mit viel Old Economy, die vom Reopening der Volkswirtschaften nach Covid-19 profitiert.
Könnte die Outperformance noch eine Weile weitergehen? Sicherlich, denn das Nachholpotenzial der europäischen Standardwerte ist nicht unerheblich, wie diese Übersicht zeigt. In den letzten 10 Jahren stiegen:
- der EuroStoxx 50 um 147 Prozent,
- der CAC 40 um 169 Prozent,
- der Dax um 220 Prozent, als vergleichbarer Kurs-Dax um 169 Prozent,
- aber der S&P 500 um 300 Prozent, vom Nasdaq erst gar nicht zu reden, der es in diesem Zeitraum auf 513 Prozent brachte.
Dabei sind die großen Anstiege aus dem Tief nach der Finanzkrise vom März 2009 noch gar nicht berücksichtigt.
Der Einfluss von High-Tech in den USA
Klar ist der große Vorsprung des S&P 500 auf seine großen Techkonzerne zurückzuführen – FANGMAN -, die mit ihren Anstiegen von über 1000 Prozent den Index auf diese Höhen mit ihrer Gewichtung getrieben haben. Aber genau das könnte in Zukunft zu einem Problem werden, die absolute Größe im Billionen-Dollar-Bereich, die ähnliche Wachstumsraten schon aus mathematischen Gründen nicht zulässt. Dies würde über kurz oder lang auch zu Problemen mit den Monopolkommissionen sowie den Regierungen in den Auslandsmärkten führen.
Nicht einmal zwei Jahre benötigte die Firma Apple (NASDAQ:AAPL), um ihren Marktwert von einer auf zwei Billionen Dollar zu steigern, bis zum Herbst letzten Jahres. Bei einer nochmaligen Verdoppelung hätte die Firma bereits eine Marktkapitalisierung, die im Bereich des Bruttoinlandsprodukts der viertgrößten Volkswirtschaft der Welt, Deutschland, angesiedelt wäre, die dieses mit ihren etwa 45 Millionen Arbeitnehmern erwirtschaftet.
Die Firma mit dem Apfel-Logo hat jedoch lediglich 150.000 Angestellte.
Fazit
Es ist eine Kombination aus verschiedenen Faktoren, die zu einer Outperformance des Dax und der wichtigsten europäischen Märkte gegenüber den USA, der Aktiennation Nummer eins, geführt hat. Man ist hier auf dem alten Kontinent erheblich billiger, wie zum Beispiel beim Dax, dessen Konzerne es nach Schätzungen des Handelsblatts in 2021 auf 100 Milliarden Euro Gewinn bringen könnten. Bei einer gegenwärtigen Marktkapitalisierung von unter 1,4 Billionen Euro wahrlich kein hohes Kurs-Gewinn-Verhältnis. In den USA hingegen kommt man beim S&P 500 selbst bei Umsetzung aller positiven Wachstumsaussichten auf kein KGV, welches unter 20 liegen sollte.
Große Investoren haben dies realisiert, Kapital fließt nach Europa, wie diese Übersicht zeigt:
Aber natürlich sind die europäischen Aktienmärkte genauso bedroht von einer möglichen Reduzierung der Anleihenkäufe (Tapering) durch die europäische Zentralbank. Madame Lagarde wird sich wegen der inhomogenen Wirtschaftszone damit so lange wie möglich Zeit lassen, aber man spielt auch in Europa mit im Konzert der großen Notenbanken. Und auch für Europas Aktienmärkte gilt: It’s Liquidity, Stupid!