von Daniel Shvartsman
Investing.com - Der Technologiesektor führte den Gesamtmarkt über weite Strecken des letzten Jahrzehnts nach oben, und die Pandemie hat diesen Trend nur noch beschleunigt. 2021 allerdings kam dieser Trend ins Stocken. Bis zum Börsenschluss am 20. Dezember performte der Nasdaq schlechter als der S&P 500 Index und lag in etwa gleichauf mit dem Dow Jones Industrial Average auf Basis der Gesamtrendite im bisherigen Jahresverlauf. Der Nasdaq wird das Börsenjahr noch immer mit einer ordentlichen zweistelligen Rendite abschließen, doch im Vergleich zu einer Gesamtrendite von 45 % im Jahr 2020, die mehr als doppelt so hoch ist wie die der Vergleichsindizes, stellt dies zweifellos einen Abstieg dar. Unter der Oberfläche gestaltete sich das Geschehen im Technologiesektor weitaus volatiler. Waren es zu Beginn des Jahres noch Spekulationen mit SPACs und neu an die Börse gebrachten Unternehmen, die für Furore sorgten, so waren es zur Jahresmitte die so genannten "Pandemie-Gewinner", die massiv abverkauft wurden, schließlich sieht deren zukünftiges Wachstumspotenzial nicht mehr ganz so rosig aus wie anfangs angenommen.
Wie zum Jahresende deutlich wurde, stehen wir vor einem neuen Umfeld, das einerseits durch die Inflation und mögliche Zinserhöhungen geprägt ist und andererseits durch die anhaltende Pandemie-Problematik, die - so ist zu hoffen - irgendwann zur Nebensache verkommt. Die unmittelbaren und sekundären Auswirkungen auf die Technologiebranche - von den Verbraucherausgaben über die Verwerfungen in der Lieferkette bis hin zum fortschreitenden Digitalisierungstrend - lassen sich nur schwer umgehen, aber ebenso schwer vorhersagen.
Hier sind fünf Dinge, auf die man im Jahr 2022 in der Technologiebranche achten sollte. Alle Zahlen zum Börsenschluss am 20. Dezember.
1. Handelt es sich bei Halbleitern nicht mehr um eine zyklische Branche?
Während 2020 die Softwareunternehmen den Sektor dominierten, stand das Jahr 2021 ganz im Zeichen der Halbleiter. Nvidia (NASDAQ:NVDA) hat sich im Wert mehr als verdoppelt und ist damit zum wertvollsten Halbleiterhersteller der Welt aufgestiegen. Der Semiconductor-ETF (NASDAQ:SOXX) legte im Jahresverlauf um 36 % zu. Die Herausforderungen in der Lieferkette, die auf maximale Effizienz statt auf Redundanz ausgelegt ist, haben zu Engpässen in der Smartphone- und Autoproduktion sowie in fast allen anderen Bereichen, in denen Chips zum Einsatz kommen, geführt.
Die hohe Nachfrage - angetrieben durch die zunehmende Elektrifizierung von Autos, das Internet der Dinge, künstliche Intelligenz und Computergeräte und Energie im Allgemeinen - zusammen mit den Versorgungsengpässen lassen auf einen nicht enden wollenden Boom schließen. "Längerfristige säkulare Trends treiben den Markt für Halbleiter- und Wafer-Fertigungsanlagen strukturell nach oben", so Gary Dickerson, CEO des führenden Halbleiterausrüsters Applied Materials (NASDAQ:AMAT). Halbleiter waren in der Vergangenheit notorisch zyklisch. Die Frage ist also, ob der Kapazitätsausbau zu einer Überproduktion führt oder ob er gerade so ausreicht, um mit der Nachfrage Schritt zu halten; wenn letzteres der Fall ist, könnte der Boom bei Halbleitern tatsächlich anhalten.
2. Ende des Software-Booms?
Softwareunternehmen gehörten im Jahr 2021 zu den am stärksten gebeutelten Unternehmen. Der Grund: die enormen, von der Pandemie angeheizten Wachstumsraten, die sie vor einem Jahr verzeichneten, konnten nicht aufrechterhalten werden. Zoom (NASDAQ:ZM) konnte auch in diesem Jahr seine Gewinne steigern, aber vor allem die Verlangsamung des Umsatzwachstums lässt eine weniger aufregende Zukunft vorausahnen. Die Aktie fiel im Jahresverlauf um 41 % und von ihren Höchstständen sogar um 55 %. Das ist nur ein Beispiel, und obwohl es Aktien gibt, die sich dem Trend widersetzen, handelt es sich bei vielen der Top-Performer des Softwaresektors um SaaS-1.0-Titel wie Oracle (NYSE:ORCL) oder Teradata (NYSE:TDC).
Das Jahr 2022 und die Aussichten für 2023 sollten den Anlegern Klarheit darüber verschaffen, ob eine neue Normalität eine Wiederbeschleunigung des Wachstums mit sich bringen wird oder ob die Erwartungen nach der Boomphase zu Beginn der Pandemie zurückgeschraubt werden müssen. Im Rahmen höherer Leitzinsen und vielleicht einer erneuten Konzentration auf die Rentabilität könnte der Druck auf den Sektor weiter zunehmen.
3. Wohin steuert die Aufmerksamkeitsökonomie?
Ein weiterer Sektor, der im Jahr 2021 zu kämpfen hatte, waren die sozialen Medien, und mehrere Unternehmensanteile aus dem Bereich der neuen Medien stürzten mit ihnen ab. Aktien wie Pinterest (NYSE:PINS) und Roku (NASDAQ:ROKU) waren die Paradebeispiele für den Einbruch in diesen beiden Branchen. Sie büßten in diesem Jahr mehr als 30 % ihres Wertes ein und rutschten im Vergleich zu ihren Höchstkursen um mehr als 50 % ab, aber auch Spotify (NYSE:SPOT), Twitter (NYSE:TWTR) und sogar Snap (NYSE:SNAP) mussten Einbußen hinnehmen.
Gleichzeitig bleiben die Langzeittrends - die Verlagerung von Werbegeldern und Abonnements für Inhalte ins Internet - unverändert intakt. Schritte wie die Abspaltung der Warner Media durch AT&T (NYSE:T), um mit Discovery zu fusionieren, verdeutlichen die Bedeutung der Skalierungseffekte in der Medienbranche. Auch die Ende Oktober aufgekommenen Spekulationen über eine mögliche Fusion von Paypal (NASDAQ:PYPL) und Pinterest (NYSE:PINS) sind nur ein Beispiel für das Konsolidierungspotenzial bzw. den strategischen Wert von Unternehmen, die die Aufmerksamkeit der Verbraucher auf sich ziehen. Die Frage ist also, wo die Aufmerksamkeit der Verbraucher hingeht und wessen Investoren davon profitieren.
4. Dominanz der FAANMG-Werte hält an
Die Marktentwicklung insgesamt hing in erster Linie von den größten Unternehmen der Welt ab, die am Ende die Richtung vorgaben. Alphabet (NASDAQ:GOOGL) und Microsoft (NASDAQ:MSFT) standen zwar ganz oben auf dem Treppchen der Performance-Tabelle, aber Apple (NASDAQ:AAPL), Meta Platforms (NASDAQ:FB) (ehemals Facebook), Netflix (NASDAQ:NFLX) und Amazon (NASDAQ:AMZN) beendeten dieses Jahr ebenfalls allesamt im grünen Bereich, wobei nur die beiden letztgenannten Papiere schlechter performten als die großen Aktienindizes. Dank ihrer beeindruckenden Gewinn- und Umsatzzuwächse trotzten sie den kartellrechtlichen Untersuchungen und den Herausforderungen aufgrund ihrer Größe und schnitten im Allgemeinen besser ab als ihre jeweiligen Branchenindizes. Und ungeachtet dessen spricht zumindest in einigen Fällen einiges dafür, dass die Bewertungen dieser Unternehmen nicht völlig überzogen ist, sei es das 24-fache des EV/Free Cashflows von Meta oder das 27,5-fache des Multiples von Alphabet. Da aufgrund der Zinswende der Fed immer mehr zinssensitive Titel unter Druck geraten, dürften die FAANMG-Titel als Flucht in die Sicherheit auch weiterhin eine dominante Rolle spielen.
5. Comeback der M&A-Aktivitäten
Ein sich wandelndes und sich verlangsamendes Umfeld könnte der Treiber für mehr Übernahmen im Technologiesektor sein. Nachdem im Jahr 2020 Salesforce (NYSE:CRM) Slack (NYSE:WORK) übernommen und AMD (NASDAQ:AMD) Xilinx (NASDAQ:XLNX) geschluckt hatte, verlief das Jahr 2021 etwas ruhiger. Microsoft übernahm Nuance (NASDAQ:NUAN), und mehrere Deals im Bereich Datenzentren wurden abgeschlossen, aber 2021 ging es bei den Fusionen und Übernahmen im Technologiesektor eher um Transaktionen, die am Ende doch nicht zustande kamen: Zoom zog sein Angebot für Five9 (NASDAQ:FIVN) zurück, die Gespräche zwischen Pinterest und Paypal führten nicht zum gewünschten Erfolg, und vor allem steht die geplante Übernahme von Arm Holdings durch Nvidia weiterhin auf der Kippe.
Während kartellrechtliche Bedenken die Shopping-Tour einiger Tech-Giganten bremsen könnten, so könnte auch ein nachlassendes Wachstum und ein immer noch niedriges Zinsniveau zu neuen M&A-Aktivitäten führen. Dies gilt insbesondere für Sektoren mit viel Wettbewerb wie Software oder Medien. Mit der Meldung, dass Oracle (NYSE:ORCL) in den letzten Wochen des Jahres 2021 Cerner (NASDAQ:CERN) gekauft hat, ist vielleicht bereits der Startschuss für ein Comeback der Fusionen und Übernahmen im Technologiesektor im Jahr 2022 gefallen.
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