- Steigendes Zinsniveau als größtes Risiko
- Fondsmanager sehen das Hoch im S&P 500 bei 3.056 Punkten
- Der wohl interessanteste Chart aller Zeiten
- Chartlage bei allen großen US-Indizes weiter fragil
Nach der Rallye seit Monatsanfang bewegte sich der US-Aktienmarkt in der vorangegangenen Woche ausschließlich im Minus. Während es in den ersten drei Tagen der Handelswoche steil abwärts ging, stabilisierten sich die US-Aktien zum Wochenende hin. Am Ende verbuchten jedoch alle drei US-Indizes ein deutliches Minus.
Der Dow Jones verlor auf Wochenbasis 1,80 Prozent, der marktbreitere S&P 500 1,11 Prozent und der Nasdaq 100 1,21 Prozent.
Schwach unterwegs waren vor allem wieder die so genannten FANG-Aktien, mit Ausnahme von Google-Mutter Alphabet (NASDAQ:GOOGL), die auf Wochensicht um 1,05 Prozent zulegen konnte. Facebook (NASDAQ:FB), Amazon (NASDAQ:AMZN) und Netflix (NASDAQ:NFLX) rutschten dagegen um 2,48 Prozent, 4,44 Prozent bzw. 3,54 Prozent ab.
Unter Druck stand aber auch der iPhone-Bauer Apple (NASDAQ:AAPL) (NASDAQ:AAPL), der nun nachhaltig unter seiner 200-Tage-Linie handelt. Auslöser für die Verluste war der enttäuschende Geschäftsausblick für das Schlussquartal, aber auch Gewinnwarnungen von Zulieferern wie z.B. Lumentum (NASDAQ:LITE) (NASDAQ:LITE).
Zur Info: 2018 hat Apple bisher 100 Milliarden Dollar an Aktien zurückgekauft - geholfen hat das aber nicht viel. Vom Rekordhoch hat das Papier bereits mehr als 20 Prozent verloren und ist damit offiziell in einen Bärenmarkt eingetreten.
Hoffnung macht jedoch, dass Warren Buffett weiter an das Unternehmen glaubt. So liefen am Donnerstag Meldungen über den Ticker, wonach die Investmentfirma Berkshire Hathaway (NYSE:BRKa) (NYSE:BRKa) über 522.000 neue Apple-Aktien im dritten Quartal gekauft habe.
Insgesamt bleibt die allgemeine Marktstimmung rund um Tech-Werte aber gedämpft, was ich später noch näher erläutern werde.
Die Belastungsfaktoren an den Märkten sind nach wie vor die gleichen: Handelszölle, Brexit, steigende Zinsen, straffere Finanzierungsbedingungen, China, Peak Earnings und Verlangsamung der Weltwirtschaft.
In meiner letzten Analyse (siehe hier) hatten wir uns näher mit der US-Berichtssaison auseinandergesetzt und festgestellt, dass wir uns allmählich den so genannten Peak Earnings nähern. Heute schauen wir uns an, was Profianleger aktuell als die größten Risiken ansehen.
Steigendes Zinsniveau als größtes Risiko
In einer von der Bank of America Merrill Lynch (NYSE:BAC) erhobenen Umfrage unter Kreditinvestoren gelten die steigenden Zinsen als größtes Marktrisiko. Auf Rang zwei rangiert der Handelskrieg zwischen den USA und China, gefolgt von der Furcht vor einer harten Landung Chinas und geopolitischen Risiken. Stark gestiegen ist das Risiko von einer Rezession/Deflation.
Hauptauslöser für die gestiegenen Renditen am Anleihemarkt ist zum einen die gute US-Konjunktur und zum anderen der Horrormonat Oktober am Aktienmarkt. Sollten die Zinsen nun kurzfristig extrem schnell steigen, steigt auch die Wahrscheinlichkeit dafür, dass es zu einer tiefgreifenden Korrektur am Aktienmarkt kommt. Grund dafür ist freilich, dass weniger Kapital in die Aktienmärkte fließt.
Sorgen bereitet den Kreditinvestoren auch die nie gelöste Euro-Schuldenkrise. Grund dafür ist vor allem der Etatstreit zwischen Italien und der EU, auch weil Italien die drittgrößte Volkswirtschaft Europas ist und für gut ein Viertel aller Staatsschulden der Euro-Zone steht.
Die Wahrscheinlichkeit dafür, dass die USA in den nächsten 12 Monaten in eine Rezession eintreten könnte, bewerten Kreditinvestoren im Vergleich zur letzten Umfrage nahezu unverändert mit etwas mehr als 15 Prozent. Das entspricht dem langfristigen Median.
Fondsmanager sehen das Hoch im S&P 500 bei 3.056 Punkten
In einer anderen von der Bank of America Merrill Lynch erhobenen Umfrage sehen 225 Fondsmanager das Hoch im S&P 500 bei durchschnittlich 3.056 Punkten. Ausgehend vom aktuellen Kursniveau entspricht das zwar einem Aufwärtspotenzial von 12 Prozent. Ganz besonders auffällig ist aber, dass die Fondsmanager im Vergleich zu den vorherigen Prognosen allmählich auf die Bremse treten und konservativer werden.
Zur Vorsicht mahnt auch, dass mittlerweile 1 von 3 Fondsmanagern glauben, dass US-Aktien bereits ihr Hoch gesehen haben könnten - das ist doppelt so viel wie im Vormonat.
Der folgende Chart ist wohl der interessanteste Chart der ganzen Umfragen:
So wurde gefragt, ab welchem Zinsniveau die Rotation von Aktien in Anleihen so richtig an Fahrt aufnehmen könnte. Die Antwort: ab einem Zinsniveau der zehnjährigen US-Anleihe von 3,7 Prozent heißt es: Raus aus Aktien - rein in Anleihen.
Interessant auch, dass der Prozentsatz der Fondsmanager, die in Tech-Aktien überinvestiert sind, auf 18 Prozent gesunken ist - dem tiefsten Stand seit Februar 2009.
Und das, obwohl "Long FAANG+BAT" (Facebook (NASDAQ:FB), Amazon (NASDAQ:AMZN), Apple (NASDAQ:AAPL), Netflix (NASDAQ:NFLX), Google (NASDAQ:GOOGL) + Baidu (NASDAQ:BIDU), Alibaba (NYSE:BABA), Tencent (F:NNND)) nun seit 10 Monaten der überfüllteste Trade ist. Aber auch hier zeigt sich allmählich eine rückläufige Tendenz im Vergleich zu den Vormonaten.
Ein Grund für die Rotation raus aus dem Tech-Sektor könnte die folgende Frage in der Umfrage geben: "Welche Anlageklasse wird 2019 die beste Performance zeigen?“
Fondsmanager waren sich einig: 45 Prozent der Befragten sehen Aktien außerhalb der USA als beste Anlageklasse an. Den S&P 500 sehen nur 17 Prozent ganz vorne. Rohstoffe trauen insgesamt 15 Prozent ein "Sahnejahr" zu.
Das wir uns in einer sehr späten Phase des aktuellen Haussezyklus befinden, zeigt auch der folgende Chart.
So glauben deutlich mehr Fondsmanager, dass Value-Aktien im kommenden Jahr eine bessere Performance zeigen werden als Growth-Aktien.
Chief Investing Officer Michael Hartnett schrieb abschließend, dass man bärisch bleibe, da die Positionierung der Anleger noch kein Signal für ein nachhaltiges Tief aufzeige.
Der wohl interessanteste Chart aller Zeiten
Seine Schlussfolgerung rührt aber sicherlich nicht nur von der Positionierung der Anleger her, sondern dürfte sich vor allem an dem rekordverdächtigen Spread von 295 Basispunkten zwischen dem Libor und dem Euribor liegen, was bisher nur zweimal geschah: das erste Mal im Oktober 1999, kurz vor dem Platzen der Dotcom-Blase, und das zweite Mal 2006, kurz vor dem Platzen der Immobilienblase, die in der globalen Finanzkrise mündete.
Chartlage bei allen großen US-Indizes weiter fragil
Die charttechnische Lage bleibt weiter angespannt, auch wenn die Käufer noch nicht endgültig die Flinte ins Korn geworfen haben, was vor allem an den langen Lunten zu erkennen ist. Jedoch wurden weder relevante Kursmarken übersprungen noch haben die technischen Indikatoren sich stabilisiert und so bleibt die Gesamtsituation sehr fragil.
Der Dow Jones Industrial Average Index (zum Chart) hielt sich die zweite Woche in Folge über seiner unteren Begrenzungslinie des langfristigen Aufwärtstrendkanals, während die Ampel der technischen Indikatoren weiter auf rot steht. Zentrale Unterstützung im Dow ist und bleibt der Bereich von 23.915 bis 23.422.
Der marktbreitere und damit viel wichtigere S&P 500 Index (zum Chart) schloss indes erneut unterhalb seiner langfristigen Aufwärtstrendkanals. Der MACD befindet sich im Sturzflug und die schnelle MACD-Linie flirtet sogar mit einem Rutsch unter seine Nulllinie. Ultimative Unterstützung bei 2.593 bis 2.538.
Im Nasdaq 100 (zum Chart) sieht die charttechnische Lage nicht viel besser aus: auch der Technologieindex schloss erneut unter seinem langjährigen Aufwärtstrendkanal. Die Konstellation der technischen Indikatoren ist negativ. Schlüsselunterstützung bei 6.416 bis 6.335.
Der Dow Jones Transportation Index (zum Chart), der als Vorlaufindikator für den US-Aktienmarkt gilt, handelt weiter unter seiner seit Januar 2016 etablierten Trendlinie. Das ist ein echtes Schwächesignal für den Gesamtmarkt. Wichtige Unterstützung bei 10.064 bis 9.810.
Die Aktie der New York Stock Exchange (zum Chart), die ich zuletzt öfters aufführte, hatte ihre zentrale Unterstützung kurz unterschritten, sich aber wieder darüber zurückerholt. Hoffnung macht die lange Lunte in der letzten Woche. Unter 13.225 bleibt die charttechnische Ausgangslage aber fragil.
Fazit:
Schwache Geschäftsausblicke und Fondsmanager, die glauben, dass die Firmengewinne in den nächsten 12 Monaten weltweit sinken werden, sowie Kreditinvestoren, die als Hauptrisiko steigende Zinsen sehen, aber auch der rekordhohe Spread zwischen Libor und Euribor, der damals schon die Dotcom- und Immobilienblase ankündigte, sagen mir, dass es aktuell nur wenige durchschlagende Argumente gibt, die für ein Engagement am Aktienmarkt sprechen.
Zentrale Unterstützungen sind zwar noch intakt, aber die Frage ist doch: für wie lange noch.
Denn mit der fortschreitenden Verknappung der globalen Liquidität, unter anderem weil die Fed ihre Bilanz abschmelzen lässt und ihre Zinsen erhöht, und andere Notenbanken schon bald folgen könnten, könnte dies den aufgeblähten Aktienmärkten die Luft zum Atmen rauben.