Die EZB hat gestern wie zuletzt überwiegend erwartet die Zinsen gesenkt. Europas Börsen reagierten freundlich, aber nicht überschwänglich. Denn der Schritt ist wohl eher der schwachen Konjunktur geschuldet als einem echten Inflationsabbau. Die Preissteigerungsrate ist weiterhin hoch. Die Reduktion war vertretbar, aber wohl insbesondere ein politischer Tribut, um nicht für eine Rezession der Großregion verantwortlich gemacht zu werden. Der auf 3,25% gesenkte Einlagenzins wirkt immer noch restriktiv. Die Frage ist, ob die EZB nun davon ausgeht, erst einmal genug gemacht zu haben oder ob sie ihre Trippelschritte in diesem Jahr noch fortsetzt. Viel stärker wurden Europas Aktien gestern von den US-Zinsen dominiert. Deren Anstieg am Nachmittag führte zu einem lustlosen US-Handel, in dessen Sog Europas Indizes den größten Teil ihres kleinen EZB-induzierten Hüpfers wieder abgaben. Aktuell legt der STXE 600 heute früh 0,25% zu, dynamischer der ESX 50 mit +0,6%. Gefragt sind die Themen/Branchen mit Chinabezug: Rohstoffe, Automobile und Luxusgüter. Zudem Technologie. Bei den anderen Branchen – insbesondere bei den defensiven Sektoren - überwiegen hingegen die Abgaben. Diese Rotation deutet auf taktische Opportunitätensuche hin, zudem aber auch auf nur spärlich fließendes „fresh money“ nach der EZB-Sitzung.
Grund für die Nachfrage nach Aktien, die im Zusammenhang mit China stehen, sind neue Konjunkturdaten. Die Wirtschaft des Landes wuchs im 3. Quartal mit 4,6% im Vergleich zum Vorjahr und damit etwas stärker als prognostiziert. Vor allem zwei Septemberdaten überraschten positiv: der Einzelhandelsumsatz legte um 3,2% ggü. Sept 2023 zu, der Industrieausstoß sogar um 5,4%. Freilich fielen die Preise für Häuser weiter: der Rückgang im Einjahresvergleich beträgt 5,8% nach 5,3% im August. Der CSI 300 stieg heute früh kräftig um 4,4%, der Hang Seng Index um 3,8%. Neben den Daten dürfte dies auf Aussagen den PBoC-Gouverneurs Pan Gongsheng zurückzuführen sein: er kündigte an, dass die Mindestreserveanforderung für die Geschäftsbanken bis Jahresende um weitere 25-50 Basispunkte gesenkt werden könnten. Überraschend auch ein Kommentar von Xi Jinping: Wissenschaft und Technologie sollten an vorderster Front von Chinas Modernisierung stehen. Dieses Commitment kam bei Chinas Techwerten äußerst gut an. Japan vermeldete einen Inflationsanstieg von 2,5%. Die Kernrate lag mit +2,4% ggü. Vorjahr leicht über der Marktschätzung von 2,3%. Nikkei und Topix stagnieren heute früh.
An den US-Börsen (ETR:SXR4) fielen gestern die Konjunkturdaten offenbar zu gut aus: die Einzelhandelsumsätze stiegen im September um 0,4% (Prognose +0,3%), die Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe gingen um 19T zurück - erwartet war ein leichter Anstieg - und der Philadelphia Fed-Index kletterte von 1,7 auf 10,3. Insbesondere die Subkomponente des Auftragseingangs legte markant zu. Zuletzt hatten sich die Börsen ja über gute Wirtschafsdaten gefreut, als Indiz, dass eine zu harte Landung vermieden werden kann. Gestern war die Reaktion auf gute Daten erstmals eher verhalten. Schuld daran war wohl der kräftige Renditeanstieg: die 10y-US Treasuries schossen von 4,01 auf fast 4,10%. Der Anstieg setzt sich fort auf aktuell 4,106%. In der Spitze waren es heute früh schon fast 4,12%. Stark gesucht waren gestern die Halbleiterwerte, wo nach den exzellenten TSCM-Zahlen (+9% in New York) Rückkäufe einsetzten. Auch Bankaktien (NASDAQ:KBWB) legten zu. Aber zinssensitive Sektoren wie REITs und defensive, wenig Konjunktur abhängige Branchen taten sich schwer. Ebenso traten die großen Schwergewichte Apple und Microsoft (NASDAQ:MSFT) auf der Stelle, Alphabet (NASDAQ:GOOGL) gaben sogar 1,3% nach. Travelers (NYSE:TRV) hat den Dow Jones beflügelt und Home Depot (NYSE:HD) ihn abgebremst. Dass Netflix (NASDAQ:NFLX) hervorragende Zahlen vorlegte – die Aktie notiert im Xetrahandel 5% höher – stimuliert die US-Futures nur minimal. Nachher reporten u.a. American Express (NYSE:AXP) und Procter & Gamble (NYSE:PG).
APX: Anstieg "Risk on" Kupfer+4 / Rückgang der Kurse bei "Risk off" Top-Staatsanleihen +1.