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Brexit: Teil III, Schock für die Aktienkurse?

Veröffentlicht am 20.06.2016, 13:19
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Von Clement Thibault

In nur wenigen Tagen könnte die politische und wirtschaftliche Zukunft der Europäischen Union durch das an diesem Donnerstag abgehaltene Referendum Großbritanniens über den Verbleib des Landes im Staatenverbund für immer verändert werden. Der „Brexit“ – kurz für „Britain Exit“ – also der Austritt Großbritanniens aus der EU, hätte weitreichende Folgen für die Wirtschaften des Landes und der Union, aber auch für die globalen Devisen- und Aktienmärkte.

In einer dreiteiligen Artikelserie warfen wir einen ausführlichen Blick auf das Votum und seine Auswirkungen auf alle Beteiligten. Teil I und II erschienen in der vergangenen Woche. Der heutige Artikel beschäftigt sich mit den Auswirkungen der Abstimmung auf die britischen und die globalen Aktienkurse. Teil I, Brexit: Alles, was Sie schon immer darüber wissen wollten (und sich nicht getraut haben, zu fragen) lieferte einen Überblick über die Gründe für das Referendum; der zweite Teil, Brexit: Teil II: Der FX-Effekt beschäftigte sich mit den Auswirkungen eines Verbleibs und eines Austritts auf die wichtigsten Währungen.

Wie im zweiten Teil dargelegt, geht die Konsensmeinung davon aus, dass das Pfund Sterling im Falle eines Brexits einen Wertverlust von 15 bis 20 Prozent erleiden könnte. Eine Abwertung der Landeswährung hat häufig einen Anstieg des führenden Aktienindex des Landes zur Folge.

Zurückzuführen ist diese Entwicklung auf die sinkenden Warenpreise in der einheimischen Währung im Vergleich zu den Währungen der Handelspartner. Dadurch werden Exporte lokaler Unternehmen attraktiver als Importe von Konkurrenzartikeln. Gewinne der lokalen Unternehmen und – bei Aktiengesellschaften – Aktienpreise steigen.

Der führende Index Großbritanniens ist der FTSE 100, ein Aktienindex der 100 größten Unternehmen (basierend auf Marktkapitalisierung), die an der Börse von London (LON:LSE) registriert sind. Ähnlich wie der US-amerikanische S&P 500 mit Unternehmen wie Apple (NASDAQ:AAPL) oder Google (NASDAQ:GOOGL), umfasst der FTSE 100 solch renommierte Unternehmen wie Royal Dutch Shell (LON:RDSa), HSBC (LON:HSBA) und British American Tobacco (LON:BATS), um nur einige zu nennen.

FTSE könnte steigen, Sektoren könnten Schaden nehmen

Auch wenn der Aktienindex insgesamt steigen würde, könnten einige Unternehmen die Hauptlast der Änderungen (oder der Annullierungen) der Handelsvereinbarungen tragen, sollte der Brexit Wirklichkeit werden. Eine Analyse der einzelnen Sektoren hilft dabei, die möglichen Konsequenzen besser zu veranschaulichen.

Das Ausmaß der Folgen eines Brexits auf britische Unternehmen hängt auch davon ab, wie lange Großbritannien benötigen würde, um neue Handelsverträge mit der EU und anderen Handelspartnern auszuhandeln. Auch die Bewältigung der Übergangsperiode spielt eine Rolle. Ein Bericht der Atradius Group ergab, dass die Sektoren Mineralische Brennstoffe, Chemikalien und Industrieerzeugnisse am meisten betroffen wären. Unternehmen in diesen Sektoren exportieren über die Hälfte ihrer Gesamtproduktion in die EU und wären damit im Falle eines Handelsabbruchs äußerst gefährdet. Das Öl- und Gassegment, das als Untersektor der chemischen Industrie zugeordnet wird, exportiert 77 Prozent seiner Produktion in die EU.

Unternehmen, die Dienstleistungen bereitstellen – gegenwärtig rund 80 Prozent der britischen Wirtschaft – wären ebenfalls stark betroffen. London ist der größte Finanzstandort Europas und exportiert rund ein Drittel seiner Dienstleistungen in die EU. Zusätzlich dazu haben auch zahlreiche Investmentbanken der Europäischen Union Standorte in London, die sie im Falle eines Brexits verlagern müssten.

Dem Wall Street Journal zufolge würde ein „Austritt Großbritanniens neben kurzfristigen Marktturbulenzen und Ausverkäufen einmalige Umstrukturierungskosten für Investmentbanken in London verursachen, die ihre Standorte aus London verlagern müssten. Er könnte die Kreditvergabe an paneuropäische Unternehmen negativ beeinflussen, da sie mit neuen Handelsbeschränkungen konfrontiert wären, und die generelle Kreditnachfrage dämpfen.“
Als Ergebnis würden Aktien von Banken wie der französische Societe Generale (PA:SOGN), der Deutschen Bank AG NA O.N. (DE:DBKGn) und sogar der US-amerikanischen JPMorgan Chase & Co (NYSE:JPM) einbrechen. Selbst Kommerzbanken wie RBS (NYSE:RBS), Barclays (NYSE:BCS) und Lloyds Banking Group (NYSE:LYG) könnten „mäßige Auswirkungen“ erleben, so die Financial Times.

Bei der Ausarbeitung neuer Handelsbedingungen kann davon ausgegangen werden, dass Dienstleistungsvereinbarungen aufgrund ihrer immateriellen Natur schwieriger auszuhandeln sein werden. Deshalb werden Dienstleister im Allgemeinen und Finanzdienstleister im Besonderen für eine längere Zeit keinen Zugang zum EU-Markt haben können. Es wäre sogar möglich, dass letztendlich nicht einmal alle Dienstleister wieder Zugang zum Einheitsmarkt erhalten werden.

FTSE 100 Monatlich 2010-2016

Multinationale Konzerne des FTSE 100 wie etwa GlaxoSmithKline (NYSE:GSK) und Unilever (NYSE:UL) dürften aufgrund ihrer geringen Abhängigkeit vom EU-Markt weniger von einem Brexit betroffen werden. So ist zum Beispiel GSK in über 150 Märkten vertreten, hat ein Netzwerk von 89 Fertigungsstätten und unterhält große F&E-Zentren in Großbritannien, den USA, Belgien und in China.
Unilever ist in 190 Ländern vertreten. Nur 7 500 seiner 170 000 Angestellten sitzen in Großbritannien.

Beide Unternehmen sind nicht wirklich stark vom britischen Markt abhängig. Im besten Fall könnte eine kurzzeitige Sympathieabwertung es dem Anleger ermöglichen, diese Aktien mit einem kleinen Preisnachlass zu erwerben.

Größere Hürde für Unternehmen des FTSE 250

Kleinere Exportunternehmen, deren Wachstum von der Nähe zur EU und dem Zugang zu dem großen Einheitsmarkt abhängt, könnten durch den Brexit viel eher Schaden nehmen. Einem Bericht von ParcelHero zufolge müsste ein typisches kleines oder mittelständisches Unternehmen, das Import- oder Exportgeschäfte mit der EU betreibt, mit zusätzlichen Kosten in Höhe von jährlich 163 000 Pfund (231,000 USD) rechnen, falls Großbritannien die Union verlassen sollte.

Darüber hinaus belegen aktuelle Analysen der Credit Suisse (SIX:CSGN), dass Komponenten des FTSE 250 durchschnittlich 50 Prozent ihrer Umsätze in Großbritannien erwirtschaften. Das macht sie anfälliger für wirtschaftliche Probleme im Land, die sie viel schlechter abfedern könnten als die kapitalstarken FTSE 100-Unternehmen. Goldman Sachs (NYSE:GS) hat 10 Unternehmen hervorgehoben, die deren Meinung nach, stark von Brexit beschädigt werden zu können; Neun, einschließlich Bovis Homes (LON:BVS), Persimmon PLC (LON:PSN) and Intu Properties (LON:INTUP), in der Immobilienbranche tätig . Das zehnte Unternehmen, Travis Perkins (LON:TPK), ist in der Gebäudeversorgung und im Baugeschäft tätig. Nichts davon ist überraschend ,unter Berücksichtigung ihrer nationalen Exposition.

Während also der FTSE 100 den Brexit einigermaßen gut überstehen würde, wäre die Hürde für die FTSE 250-Unternehmen viel höher.

FTSE 250 Monatlich 2010-2016

Das vorstehende Diagramm zeigt deutlich, dass der FTSE 250 seit Beginn des Jahres 2016 von Turbulenzen erschüttert wird. Im Januar und Februar testete der Index Unterstützungsniveaus.

Das nächste, noch nicht durchbrochene Unterstützungsniveau liegt bei 14 000 Punkten, rund 2 400 Punkte niedriger als heute (überprüfen). Gegenüber den aktuellen Preisen kann ein Verlust von ca. 15 Prozent als wahrscheinlich prognostiziert werden.

Eine weitere Abwertung würde die Preise auf 12 000 Punkte bringen, damit würden die im Index geführten mittelständischen Unternehmen ein Drittel ihres Werts verlieren. Sollte dieses Szenario eintreffen, müssten allerdings alle Karten noch einmal neu gemischt werden. Den Anlegern sei deshalb geraten, sich im kommenden Monat von kleinen und mittelständischen Unternehmen fernzuhalten.

Es ist zwar immer ein guter Ratschlag, seine Anteile breiter zu streuen, angesichts der potenziellen Unsicherheit und Instabilität jedoch, die durch einen Brexit ausgelöst werden würde, ist es unbedingt notwendig. Eine Mischung aus US-Large-Caps wie Amazon (NASDAQ:AMZN), Microsoft (NASDAQ:MSFT) and Exxon (NYSE:XOM) und einigen wenigen FTSE-Aktien sollte Ihnen dabei helfen, den Sturm zu überdauern.

Hedgefunds erhöhen aktuell ihre Anteile an britischen Unternehmen wie Vodafone (LON:VOD), SKY (LON:SKYB), ARM Holdings (NASDAQ:ARMH) (LON:ARM) und Rio Tinto (DE:CRAA). Denken Sie daran, jedes Portfolio ist anders, und es gibt keine Einheitsgrößen-Lösung.

Falls Sie extrem über die Möglichkeit eines Brexits und seine globalen Auswirkungen besorgt sind, sollten Sie auch in Gold investieren. Die Preise für das Edelmetall steigen für gewöhnlich in unsicheren Zeiten.

Schlussfolgerung

Aktuelle Umfragen deuten darauf hin, dass die britische Wählerschaft ziemlich genau in der Mitte gespalten ist. Ein Brexit liegt also durchaus im Bereich des Möglichen. Die letzte BMG-Umfrage vom 25. Mai zeigt einen Vorsprung der „Leave“-Kampagne um 1 Prozent. 12 Prozent der Briten sind unentschlossen. Nur wenige Umfragen stellten im vergangenen Monat einen Unterschied von über 5 Prozent zwischen den beiden Kampagnen fest. Anteil der unentschlossenen Wähler lag immer bei mindestens 10 Prozent.

Es kann, wie bereits erwähnt, niemand mit Sicherheit sagen, wie sich die Dinge am 23. Juni und danach entwickeln werden. Die Einsätze sind um so vieles höher als bei einem einzelnen Portfolio, einem Unternehmen oder sogar einem Land.

Basierend auf den verfügbaren Daten können wir einige der Konsequenzen abschätzen, aber eine Garantie gibt es natürlich nicht. Seit der Bekanntgabe des Referendums sind die Anleger in Bezug auf Großbritannien verunsichert. Panikbewegungen an den Börsen sind also durchaus möglich, falls das Land die EU verlässt.

Doch wenn es um Finanzmärkte geht, so ist es immer ein guter Ratschlag, sich zu informieren und vernünftig zu handeln. So können Sie, wenn die Zeit gekommen ist, die klügeren Entscheidungen treffen.

Anmerkung der Redaktion: Zurück zu Teil I. Zurück zu Teil II.

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