Die gestrige Schwäche des US-Aktienmarktes offenbart sich erst auf den zweiten Blick. Denn auf Indexebene präsentierte sich der S&P 500 stabil, was dem Nasdaq 100 zu verdanken war, der auf ein neues Allzeithoch kletterte. Dahinter stand insbesondere die anhaltende Rallye des Superschwergewichts Nvidia (NASDAQ:NVDA), die um 7,13% haussierten. Generell war der Halbleitersektor gefragt, auch AMD (NASDAQ:AMD) z.B. legte um 3% zu. Aber das war es auch schon. Die große Mehrzahl der Sektoren und Unternehmen gab teils kräftig nach. Besonders schwach Cloud und Biotechs, aber im Abwärtssog stand von defensiven Low Vola S&P-100 Werten über Industrie- und Finanztitel (NYSE:XLF) bis zum Russell 2000 eigentlich alles. Einer der Gründe ist der dynamische Wiederanstieg der US-Renditen: 10y Staatsanleihen werfen aktuell bereits wieder 4,56% ab, 20 Basispunkte mehr als Mitte Mai. Aktuelle Treiber waren eine schleppende Auktion 2- und 5-jähriger Staatstitel und dass FED-Gouverneur Kashkari eine potenzielle Zinsanhebung nicht ausschließen wollte.
Im Asien-Pazifikraum war es wegen dieser ohnehin schlechten Vorgabe nicht hilfreich, dass Australien heute früh einen unerwarteten Inflationsanstieg vermeldete: der gewichtete Verbraucherpreisindex stieg im Mai auf 3,6% ggü. Vorjahr, prognostiziert waren 3,4%, im April war der CPI um 3,5% geklettert. Der S&P/ASX 200 schloss 1,3% schwächer. Der Nikkei 225 gab 0,8% nach, der Hang Seng Index 1,6% und der Tech-Subindex sogar 2,4%. Der Hang Seng Tech Index hat seit Mitte Mai nun 8,5% eingebüßt, was u.a. mit Auslandsabgaben, aber auch mit von Alibaba (NYSE:BABA) und Tencent (HK:0700) losgetretenen Preiskämpfen um AI-Marktanteile zusammenhängt. Südkoreas KOSPI fiel um 1,7%, wobei das Schwergewicht Samsung (F:SAMEq) Electronics mit -3% belastete, Auslöser hier war ein angekündigter Streik. Chinas CSI 300 legte gegen den regionalen Trend marginal zu. Im Xetrahandel war Asien jedoch gestern schon deutlich zurück gefallen, deshalb sind die Reaktionen bei den ETFs heute moderat, der China Tech ETF notiert unverändert. Prosus (AS:PRX) hingegen - Großaktionär des China Tech Schwergewichts Tencent – liegt aktuell mit -1,7% am Ende des STXE 50. Japans Verbrauchervertrauen ist im Mai den vierten Monat in Folge gesunken und steht mit 36,2 nun auf dem niedrigsten Stand seit November.
Europa war gestern nach ruhigem Start mit Eröffnung des US-Kassahandels unter Druck geraten. Dabei unterschritt der STXE 600 NR unsere erste Stopp Los Marke, weshalb wir damit begonnen haben, die Allokation zu reduzieren. Dies haben wir heute früh fortgesetzt, da nun auch der 20 Tage Durchschnitt wackelt und damit das für uns relevante nächste Verkaufssignal touchiert wurde. Mit Ausnahme des Energiesektors, wo der steigende Ölpreis stimuliert, geben alle Branchen nach. Der STXE 600 verliert aktuell 0,3%, auf Sektoreneben besonders schwach Basisrohstoffe und Haushaltsgüter (je -0,8%). Unter den Einzeltiteln am Indexende neben Prosus erneut National Grid (LON:NG), aber auch LVMH (EPA:LVMH). An der Spitze stehen die Energiekonzerne BP (LON:BP), Shell (ETR:R6C0) und Total (EPA:TTEF). Auf der zweiten Ebene fallen Airlines mit deutlichen Rückgängen auf – hier belastet der steigende Ölpreis und die gestrige Prognosesenkung von American Airlines (NASDAQ:AAL). Immobilienaktien verlieren ebenfalls stärker, was an den auch hierzulande wieder steigenden Renditen liegt. Dennoch gibt es insgesamt keinen Grund für rabenschwarzen Pessimismus. Ein Portfoliomanager von AllianceBernstein brachte es gestern bei CNBC auf den Punkt: die Unternehmen halten ihre Preise auf oder oberhalb des Covid-Levels, als Lieferengpässe die Produktionskosten in die Höhe schnellen ließen. Mit dem seitdem eingetreten massiven Rückgang dieses Preisdrucks hat sich ihre Marge erheblich verbessert. Das spiegelte sich zuletzt in den guten Quartalszahlen wider. Das ist meiner Meinung nach – neben dem KI-Hype - der simple Grund, warum weltweit die Aktienmärkte trotz hoher Zinsen und anämischem Wirtschaftswachstums in der Nähe ihrer Allzeithochs stehen.
APX: -2 wegen Nikkei 225.